Selbstverherrlichung, so lautete der Vorwurf, und Mißbrauch des Diskussionsforums
als Werbeplattform. Ein Totreder sei ich zudem - und einer, der im Forum
über andere CAD-Software meckere, "um damit von den eigenen Schwächen
abzulenken."
Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß ich diese Vorwürfe
wirklich alle und vor allem in dieser Schärfe verdient hatte - aber solch
starken Tobak ignoriert man besser auch nicht einfach so. Es traf sich, daß
Urlaub angesagt war, und so ließ ich mir zwei Wochen Zeit, um das in Ruhe
zu verdauen und zu begrübeln.
Danach nahm ich meinen zumindest zeitweisen
Abschied
aus dem Forum.
Was war geschehen, und warum dieser Schritt?
Anwender der Software, die wir bei
CoCreate
entwickeln und verkaufen, treffen sich in allerlei Foren, und in einigen
davon bin ich Stammgast - besonders in den
deutschen Foren.
"Ich arbeite zwar bei CoCreate, aber ich schreibe das in meiner Freizeit und
spreche nicht für die Firma" - das war als Signatur in jedem meiner
Wortbeiträge zu lesen. Zwar hat CoCreate nichts gegen meine
Beteiligung, aber ich war auch nicht im Auftrag der Firma
zugange, sondern privat - ich war schlicht neugierig, wie Kunden mit der Software,
die ich mitentwickele, umgehen und welche Erfahrungen sie damit machen.
Wie in allen Diskussionsforen, so gab es auch hier ab und an Reibereien.
Selten jedoch verspürte ich so viel Gegenwind wie in den letzten Monaten,
und zum ersten Mal in über sechs Jahren habe ich nun das Gefühl, daß
schon meine bloße Anwesenheit zur Gereiztheit beiträgt.
Warum das? Nun, ich kann nicht in die Köpfe derer
hineinsehen, die besonders genervt, zuweilen gar aggressiv auf mich reagiert
haben. Aber zwei Spekulationen erlaube ich mir.
Anwender brauchen schnelle Lösungen, Entwickler gründliche
Wenn es im Produkt klemmt, will der Anwender möglichst fix eine
Lösung, um weiterarbeiten zu können - selbst wenn die Lösung
so hemdsärmlig und kurzlebig wäre, daß sie einem
Softwareentwickler Magengrimmen verursacht.
Der Entwickler hingegen hat ein Interesse daran, Schwierigkeiten und
Tathergang möglichst vollständig aufzuklären: Was ist
der Kern des Problems, und welche Beobachtungen haben damit nichts zu tun?
War es vielleicht doch ein Anwenderfehler und wie könnte man den in Zukunft
vermeiden? Oder ist es ein Fehler in der Software, und wie kann ich den
ohne Nebenwirkungen korrigieren, so daß ich mich später nie
mehr darum kümmern muß?
Also fragt der Entwickler vier- oder fünfmal nach den genaueren
Umständen, um die Lage zu sondieren und falsche Vermutungen auszuschließen.
Naja, jedenfalls tue ich das gerne. Vielleicht habe mir auf diese Weise
so nach und nach das "Totreder"-Image eingehandelt.
Kollege Kunde? Wohl doch eher König!
Auch wenn die Umgangsformen im Forum kollegial und locker sind,
und auch wenn ich tausendmal betone, daß ich das Forum als Privatmann
besuche: Aus Kundensicht stehe ich im Zweifel auf der anderen Seite und hafte
für all die kleinen oder großen Probleme mit, die der Anwender
mit CoCreate-Produkten oder mit CoCreate selbst hatte oder hat.
Im Forum geäußerter Werkstolz oder auch der Versuch, falschen
Behauptungen entgegenzutreten, wird deswegen besonders kritisch beurteilt.
Simple Wahrheiten, denke ich heute - und daß die Vorstellung, mit Kunden
feierabends am virtuellen Stammtisch klönen zu können, doch
eher naïv war. Und wenn ich noch so darauf beharre, als Privatmann
an den Diskussionen teilzunehmen: Das Verhätnis ist und bleibt nun einmal
asymmetrisch.
Wäre die Betreuung von Foren offizieller Bestandteil
meines Jobs, so müßte ich als beauftragter Vertreter meiner
Firma mit Angriffen und Auseinandersetzungen leben - und
könnte das dann auch gut, denn ich wäre ja nicht persönlich
gemeint, oder zumindest könnte ich mir das plausibel einreden.
Ich war indes privat und aus Spaß an der Freud' dabei.
Am Ende war vom Spaß wenig übrig, also hieß es für mich:
Loslassen üben! Die deutschen Foren funktionieren schließlich
auch ohne mich prima. Sehr wahrscheinlich besser als zuvor.
Bin ich eine Mimose? Gut möglich; ich weiß es nicht. Nur daß
mir Auseinandersetzungen im Forum zuweilen die ganze Woche verdorben haben,
das weiß ich. Und daß ich das nicht mehr erleben möchte.
Was bedeutet das nun für andere Foren? Dort läuft es besser.
Vielleicht liegt es daran, daß dort in Englisch diskutiert wird
und der Ton schon deswegen ein anderer ist. Jedenfalls werde ich
einstweilen Foren wie das
internationale CoCreate-Anwenderforum
weiter besuchen.
Und dieser Blog? Und die FAQ-Seiten, die CoCreate-Produkte betreffen?
Nun, auf dieser Website trifft sich offenbar ein
anderes Publikum: CAD-Administratoren, Angehörige von Partnerfirmen,
Programmierer. Diskussionen, die sich hier ergeben, haben in der Tat eher
kollegialen Charakter. Ich mache hier also weiter.