Diese Woche war ich am GWM, um bei der Blockade zu helfen. Warum wird blockiert? Zunächst einmal, weil wir - wie neulich die Süddeutsche Zeitung
schrieb - Stuttgart 21 für "das dümmste Grossprojekt Deutschlands" halten. Und weil man an S21 direkt vor unserer Haustür und wie im Brennglas beobachten kann, wie Wirtschaftsinteressen und Parteipolitik den Primat über das Gemeinwohl erringen, wie gefährlich mangelhaft die Gewaltenteilung in unserem Land ist, und wie zu allem Überfluss Presse und Medien als Kontrollinstanzen versagen. Der Widerstand ist wichtig und gerechtfertigt, weil das konkrete Bauprojekt mit horrenden Mängeln nur so gespickt ist - aber auch weil ein Erfolg des Widerstandes den demokratischen Konsens neubeleben und auf eine neue Stufe heben würde. Es geht beileibe nicht bloss um einen Bahnhof.
Nach der Montagskundgebung gab es eine Menschenkette (sitzenderweise) im Schlossgarten, um zu zeigen, dass wir Park und Zeltdorf schützen wollen.
Am Morgen danach hat die Polizei den Bereich am Südflügel fast komplett abgesperrt, weil die Bahn anfangen will, vom Grundwassermanagement ausgehend die Stützträger für die 17 km Rohre aufzustellen, die sich bald durch Stuttgart ziehen werden. Von den Rohren wissen wir, dass sie wider Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses und
entgegen anderslautender öffentlicher Aussagen von Bahnoberen nicht gegen Korrosion im Inneren geschützt sind. Im Gegenteil, die Rohre waren im Juni schon verrostet und werden also das umzupumpende Grundwasser in eisenbraune Brühe verwandeln. Übrigens finden solche Rückstände dann auch den Weg ins MIneralwasser, Präzedenzfälle hat es zum Beispiel in Bad Cannstatt gegeben. Dass der Rohrepfusch ohne die GWM-Besetzung am 20.6. womöglich gar nicht erst ans Licht gekommen wäre, ist eine der vielen bitter-ironischen Wendungen in diesem Projekt.
Wieder also ein Fall, wo die Bahn geltendes Recht geschmeidig ignoriert. Wäre das Eisenbahnbundesamt auf Zack, hätte es den Bau deswegen bereits stoppen können (und meiner Ansicht nach stoppen müssen). Aber so versucht es eben der Widerstand mit seinen bescheidenen Blockademitteln. Das war, soweit ich beobachten konnte, auch erfolgreich, und die Stimmung war gut, aber leider hält das den Betrieb halt nur für ein paar Stunden auf. Die Polizei hat die Blockade mit einem riesigen Aufgebot aufgelöst. Dabei ging es von beiden Seiten übrigens sehr zivil und friedlich zu.
Vermutlich erst nächste oder übernächste Woche geht es an den Park. Beim Biergarten soll ein Kanal gegraben werden, ebenfalls für die Rohrleitungen. Eventuell steht dann auch die Räumung des Zeltdorfes an.
Revision: r1.1 - 22 Aug 2011 - 11:37 - ClausBrod